Das Engagement im VFLL ist keine Einbahnstraße

Seit der Mitgliederversammlung im letzten September hat der VFLL nicht nur einen neuen Vorstand, sondern auch eine neue Vorsitzende: Sie lebt in München und ist als frühere Sprecherin der Regionalgruppe München kein unbeschriebenes Blatt. Die Rede ist von Susanne Janschitz. Als eines der ersten Mitglieder im Jahr 1999 kann sie sich lebhaft an die Anfänge des Verbands erinnern und bezeichnet sich selbst als „Riesenfan“ der verbandsinternen Mailingliste.

Seit wann bist du Mitglied im VFLL? Was schätzt du am meisten in diesem Netzwerk?

Ich bin zwar kein Gründungsmitglied (von denen haben wir auch noch welche!), kenne aber die Pionierarbeit gut: 1999 gab es die ersten Sondierungstreffen, im Oktober bin ich dann eingetreten. 2000 wurde der Verband dann beim Registergericht „amtlich“, deshalb feiern wir auch 2020 unser 20-jähriges Jubiläum. Für mich sind zwei Dinge wichtig:

Ich bin ein Riesenfan unserer unschätzbaren Mailingliste, über die jedes angemeldete Mitglied ein paar Hundert KollegInnen um Rat fragen kann, wenn es selbst einmal nicht weiterkommt. Der enorme Wissenspool deckt neben den Fachkenntnissen rund ums Lektorat ein unglaubliches Spektrum ab, wir beantworten Fragen zu allem und seinem Gegenteil: ob Chemie, Yonimassage, Eisenbahnbau, D&D, Bibelexegese, Färöisch oder Barocklyrik. Unsere KollegInnen haben Tibetologie, Agrarwesen, Theologie, Archäologie, Biologie, Mathematik, diverse Sprachen, Philosophie, Physik, Psychologie und ich weiß nicht, was noch alles studiert – weit mehr Fächer als im faustischen Monolog sind bei uns vertreten!

Besonders schön sind für mich auch die kollegialen Kontakte und der kreative und produktive Austausch, durch die mir die Arbeit im VFLL regelmäßig den Arbeitsalltag versüßt. Bei der Textarbeit ist man oft so abgeschnitten von der Welt, da tut es gut, zwischendurch Kontakt mit realen Menschen zu haben und den Tunnelblick wieder zu erweitern.

Du wurdest auf der Mitgliederversammlung im September neu in den Vorstand gewählt. Warst du vorher schon im Verband aktiv?

Ich war ganz am Anfang schon einmal für zwei Jahre Sprecherin in München (2000–2001), wo ich die damalige Städtegruppe mit auf- und ausgebaut habe. Und bis zur Vorstandswahl war ich noch einmal dreieinhalb Jahre im SprecherInnenteam der Regionalgruppe Bayern (2015–2018).

Welches Aufgabengebiet hast du übernommen? Kannst du deine beruflichen Schwerpunkte und persönlichen Interessen einbringen?

Im Moment hat die weitere Professionalisierung des Vorstands für mich hohe Priorität. Hier diskutieren wir gerade verschiedene Modelle, denn der Anstieg der Mitgliederzahl auf über 900 verlangt dem Vorstand allerhand ab, was rein ehrenamtlich kaum noch zu bewältigen ist. Daneben prüfen wir verschiedene IT-Lösungen für unsere interne Kommunikation und die Mitgliederverwaltung, das frisst viel Zeit.

Mit meinen beruflichen Themen hat das nichts zu tun, aber ich bin sehr gern selbstständig und gestalte mein Arbeitsumfeld im Büro nach ähnlichen Kriterien wie die Arbeit im VFLL. Insofern gibt es doch viele Überschneidungen, zum Beispiel:

  • Das zwischenmenschliche Klima ist das A und O. Probleme gleich ansprechen, nicht schwelen lassen.
  • Software muss funktionieren und darf uns nicht im Weg stehen.
  • Keine Selbstausbeutung. Es darf auch mal was pressieren, aber sobald Dauerstress droht, muss man die Notbremse ziehen, allein schon aus gesundheitlichen Gründen. Abgrenzung und Neinsagen kann man im Ehrenamt trefflich trainieren, und die Fähigkeit, sich im rechten Moment vor Überlastung zu schützen, nützt uns das ganze Leben lang.

Gibt es ein (Herzens-)Thema, um das du dich im Verband während deiner Amtszeit besonders kümmern willst?

Schon, aber erst wollen die beiden genannten Berge abgetragen werden, was wir hoffentlich auch in absehbarer Zeit schaffen. Mir persönlich liegt viel an der „Nachwuchsförderung“ und Motivation unserer Mitglieder. Bei der Arbeit in der Regionalgruppe habe ich gelernt, wie viel es uns bringt, wenn sich neue Mitglieder willkommen und abgeholt fühlen und wir sie so begrüßen, dass sie Lust bekommen, dem VFLL Zeit zu widmen, indem sie ein Amt übernehmen oder eine Veranstaltung organisieren.

Verrätst du uns dein schönstes VFLL-Erlebnis?

Das ist leicht: Als ich zu meinem ersten überregionalen Treffen kam (wir waren damals im Europäischen Übersetzer-Kollegium in Straelen) und überrascht feststellte: Hier sind ja lauter Leute versammelt, die ganz ähnlich ticken wie ich, die die gleichen Probleme haben und sie mit viel Humor und den unterschiedlichsten Fachkenntnissen lösen – und ich gehöre dazu! Nach wie vor finde ich unsere überregionalen Veranstaltungen wunderbar bereichernd.

Erzählst du uns noch etwas zu deiner Arbeit? Hast du einen Arbeitsschwerpunkt als Lektorin?

Seit Beginn meiner Selbstständigkeit im Jahr 1999 hat sich viel getan, mittlerweile mache ich nur noch selten Redaktion/Lektorat, sondern übersetze und schreibe mehr und mehr. Eine meiner Nischen ist mein Mondkalender, der zwar manchmal belächelt wird, aber in unserer Gruppe meines Wissens ein Alleinstellungsmerkmal darstellt, das mir viele schöne Aufträge beschert. Ohne ihn wäre ich vielleicht gar nicht so gut im Geschäft, dass ich mich über Jahre im VFLL engagieren konnte und kann.

War dir dein Beruf schon bei der Auswahl deiner Studienfächer klar? Oder hast du eine Ausbildung gemacht? Wie bist du zum Lektorat gekommen?

Meine Leselust und Sprachfähigkeit wollte ich tatsächlich von Anfang an beruflich nutzen: Nach einer Ausbildung zur Verlagskauffrau und dem Studium der Germanistik und Anglistik (kurz vor Schluss erfolgreich abgebrochen) landete ich nach einem Aushilfsjob beim Piper Verlag in der Taschenbuch-Redaktion des Falken-Verlags. Im Ratgeber- und Sachbuchbereich bin ich zu Hause, entsprechend bringe ich ein solides Verlagswissen mit.

Greifst du auf das, was du mal studiert hast, bei deiner Arbeit zurück?

Vor allem beim Übersetzen, denn wir mussten auch an der Uni noch etliche englische Sprachkurse besuchen. Und regelmäßig brauche ich beispielsweise die Anatomiekenntnisse und anderes aus meiner Ausbildung zur Heilpraktikerin. Das Verlagswissen sowieso; es gibt schon allerhand, was mir von meiner Ausbildung noch dienlich ist.

Dürfen wir mal einen Blick auf deinen Schreibtisch werfen? Ein Foto wäre toll! Welcher Arbeitstyp bist du: Stapler oder Sortiererin?

Bitte ohne Foto – es gibt zwei Stapel: „Aktuelles / in Bearbeitung“ und „Vielleicht dermaleinst / wenns verloren geht, machts auch nichts“. Ich mag es ordentlich und muss nur selten suchen. Wenn mal was fehlt, hab ichs meist zu früh gelöscht oder weggeschmissen, weil ich mich durchaus gern trenne von Dingen: Ohne Ebbe keine Flut.

Was machst du, um den Kopf frei zu kriegen? Kannst du gut abschalten? Hast du Tipps?

Es funktioniert ja bei jeder und jedem etwas anderes, da halte ich mich mit Tipps zurück. Mir tut das Rausgehen gut: Beim Hundespaziergang komm ich gut aus dem Kopf ins analoge Leben, und wenn ich ab und zu abends „zum Spielen raus darf“ (Kartenspielen mit Freunden), ist schnell alles andere wichtiger als der Arbeitsalltag.

Was möchtest du unbedingt noch loswerden?

Ich kann nur immer wieder bekräftigen, dass das Engagement im VFLL keine Einbahnstraße ist, sondern uns auf vielfältige Weise bereichert. Jede und jeder von uns ist fähig, ein Amt auszufüllen, denn wir sind es als Selbstständige alle gewohnt, mit Menschen Kontakt zu haben, Entscheidungen zu treffen, Dinge zu regeln und uns selbst zu organisieren. Und wie man es schafft, in Zeiten, wo einem alles zu viel wird, auch noch für sich selbst zu sorgen, das kann man in einem Ehrenamt ganz wunderbar herausfinden und üben.

Interview: Katja Rosenbohm
Foto: © Susanne Janschitz (privat)


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3 Gedanken zu „Das Engagement im VFLL ist keine Einbahnstraße

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