„Meinst du noch oder denkst du schon?“

Zum 71. Geburtstag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte am 10.12.2019 veranstaltete das Eine-Welt-Forum Münster e. V. in Kooperation mit Vamos e. V. im Freiherr-von-Vincke-Haus eine öffentliche Podiumsdiskussion über das Recht auf freie Rede, das Recht auf Bildung und das Recht auf kulturelle Teilhabe. Vier Referent*innen gaben dazu Impulsreferate. In den anschließenden lebhaften und intensiven Diskussionen mit den gut 60 Besucher*innen, moderiert von Danica Finger (freiberufliche Referentin für sprachliche und politische Bildung) und Georg-D. Schaaf, gab es spannende Anstöße. Neben der Stadt und der Bezirksregierung Münster unterstützte auch der VFLL diese Veranstaltung.

Von Danica Finger und Georg-D. Schaaf

Tarik Thabit (Kanun), Zainab Lax (Harfe) und Charlotte Voigt (Cello) vom Suroor Kollektiv sorgten für die musikalische Begleitung des Abends und auch die offiziellen Grußworte durch den Sprecher*innenrat des Eine-Welt-Forums Münster und Beate Vilhjalmsson, Bürgermeisterin der Stadt Münster, durften natürlich in dem feierlichen Rahmen nicht fehlen.

Menschenrechte spielen eine große Rolle im Alltag

Danica Finger wies darauf hin, dass die Menschenrechte auch im Alltag in Deutschland eine große Rolle spielten: Sie ermöglichten unter anderem den Zugang zu Bildung und Kultur, die politische Teilhabe, die Pressefreiheit und das Demonstrationsrecht ohne Angst vor Verfolgung.

Moderatorin Danica Finger, Foto: privat

Selbst 71 Jahre nach Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 1948 sei die Welt geprägt von Kriegen und Konflikten. „Menschen sind mit polarisierenden Auseinandersetzungen etwa über Migration, Fake News, Konsum oder den Klimawandel konfrontiert“, so Danica Finger. Dennoch fehle es oft am Bewusstsein eines und einer jeden Einzelnen, welche Rolle Menschenrechte im Alltag spielen – und wo sie selbst in nächster Umgebung verletzt würden. Ein Besinnen auf das Fundament der Menschenwürde und auf die Menschenrechte könne dabei den Weg ebnen für ein offenes und tolerantes Miteinander, für ein gemeinsames Verständnis und ein Begegnen auf Augenhöhe.

Jonas Erulo (Seminar für Fundamentaltheologie und Religionsphilosophie, Universität Münster; Seebrücke Münster) präsentierte eine philosophische Kritik der Menschenrechte: Ihr unbedingter und universaler Anspruch markiere zugleich, dass sie tatsächlich nicht universal garantiert seien; „sie sind in der Sprache des Rechts formuliert, das aber hinsichtlich der davon Betroffenen ambivalent ist, weil es Menschengruppen unterschiedlich behandelt“.

Mangelnde Bildung als Gefahr für den Frieden
In der zweiten Diskussionsrunde ging es um das Recht auf Bildung und das Recht auf kulturelle Teilhabe: Omer Othman (Literaturwissenschaftler, Universitäten Münster und Khartum, Sudan) wies auf die große Gefahr für den Frieden hin, die daraus erwachse, dass in vielen Ländern Afrikas ein Großteil der Kinder keinen oder nur einen unzureichenden Zugang zu Bildung haben – durch Diktaturen, wirtschaftliche Misere oder Kriege, letztlich auch durch Strukturen, die frühere koloniale Abhängigkeiten fortsetzen; es müsse gemeinsames dringendes Anliegen aller Regierungen sein, Bildung überall für alle Menschen zu garantieren.

Referent Ammar Bou Saad, Universität Münster, zur Geschichte des Kulturgutschutzgesetzes, Foto: privat

Ammar Bou Saad (Masterstudium „Antike Kulturen des östlichen Mittelmeerraums“ an der Universität Münster) berichtete über die mutwillige oder billigend inkaufgenommene Zerstörung von Welterbestätten in Syrien durch alle Kriegsparteien und die ambivalente Haltung der Weltgemeinschaft dazu etwa in der unzureichenden Regulierung des Antikenhandels in Bezug auf Raubkunst: Zweck der Zuerkennung eines Welterbestatus sei eigentlich, die historische und kulturelle Vielschichtigkeit der ausgewählten Orte sichtbar zu machen und ihren Schutz zur internationalen Aufgabe zu erklären.

Der Einsatz für die Menschenrechte hat also viele Dimensionen, sollte aber auch im Alltag und vor unserer Haustür beginnen. Wo Staaten die Menschenrechte durch verschiedene Regelwerke verbindlich gemacht haben, ist es den Bürger*innen möglich, sich auf ihre Rechte zu berufen und die jeweilige Regierung zur Rechenschaft zu ziehen. Es fängt also damit an, dass man sich informiert, sich selbst eine Meinung bildet und die Menschenrechte mit anderen diskutiert. An jedem Ort in Deutschland gibt es viele Möglichkeiten, sich zu informieren und zu engagieren. So veranstaltete die Gesellschaft für bedrohte Völker e. V. nach der Diskussion eine Fotoaktion für den Schutz von Jesid*innen und eine Unterschriftensammlung von Vamos e. V. für das Lieferkettengesetz.

Großes Beitragsfoto: Sprecher*innenrat des Eine-Welt-Forums Münster
Alle Fotos: (c) privat


Georg D. Schaafs Website und VFLL-Profil


Mehr Informationen zu den im Beitrag genannten Vereinen:
Eine-Welt-Forum Münster e. V.
Vamos e. V.
Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.


Weitere Beiträge von Georg-D. Schaaf:
Als Verband die Sichtbarkeit des Freien Lektorats erhöhen (2019)
Hoffnung und Hölle für Gestrandete (2016)
Lesung für Ashraf Fayadh und die Freiheit des Wortes (2016)

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