Lektorenverband VFLL Diskussion mit Nele Neuhaus auf der Buchmesse Frankfurt 2014

Der Self-Publisher: eierlegende Wollmilchsau und großer Träumer

Auf der Buchmesse Frankfurt war der VFLL bei zwei öffentlichen und gut besuchten Diskussionen dabei. Auf dem Programm: das Thema Self-Publishing. Erfolgsautorin Nele Neuhaus erzählte von ihren Anfängen. Zwei freie Lektorinnen gaben Einblicke in ihre Arbeit mit Indie-Autoren.

„Das Lektorat hat dem Buch-Manuskript sehr gut getan. Es ist um 400 Seiten geschrumpft“, gibt Krimi-Erfolgsautorin Nele Neuhaus zu. Obwohl sie den Rat, das 600 Seiten starke Manuskript  zu kürzen, zunächst nicht gern gehört habe. „Schließlich steckte auch jede Menge Recherche-Arbeit darin, da die Geschichte in Amerika spielte.“

Nele Neuhaus diskutierte auf der Frankfurter Buchmesse 2014 die Frage „Self-Publishing – wann ist es sinnvoll?“ mit VFLL-Mitglied Friederike Schmitz, Eliane Wurzer (Droemer Knaur/neobooks) und Autor Karl Olsberg.

Neuhaus, heute Bestseller-Autorin, begann einst als Self-Publisherin. Wie sie träumen viele Indie-Autorinnen und Autoren davon, mit ihren in Eigenregie publizierten Büchern bekannt, vielleicht sogar, von einem Verlag unter Vertrag genommen zu werden. Doch das schaffen die wenigsten.

Self-Publisher professionalisieren sich

Die Diskutanten waren sich darin einig, dass Self-Publisher immer professioneller werden. Dazu gehöre auch die Bereitschaft, selbstkritisch zu sein, seinen Text bewerten zu lassen und zu überarbeiten – am besten natürlich von einem freien Lektor oder einer freien Lektorin. „Gutes Lektorat zahlt sich aus – besonders, wenn man von einem Verlag entdeckt werden will“, bringt es Nele Neuhaus auf den Punkt.

Wie die Zusammenarbeit zwischen Self-Publishern und freier Lektorin aussehen kann, erzählte Friederike Schmitz eindrücklich. „Es ist spannend, so viele unterschiedliche Menschen kennenzulernen und mich immer wieder mit neuen Themen zu beschäftigen.“ Das Spektrum reiche „von einem Kunden, der seit Jahrzehnten in Spanien lebt und einen Krimi darüber schreibt, über eine Autorin, die eine neue Trauerkultur etablieren will, bis hin zu einer Sängerin, die unterhaltende Chick-Lit schreibt“.

Lektorenverband VFLL Flyer Selfpublishing Lektorat

Diese nagelneuen Flyer gab es am VFLL-Stand. (Bild: Beißwänger)

Auch im Self-Publishing (SP) gebe es inzwischen zahlreiche Portale und Sparten, so Schmitz, etwa für Esoterik und wissenschaftliche Bücher. Deshalb riet sie: „Jeder Autor sollte auf dem passenden Portal veröffentlichen.“

Zum Abschluss der lebendigen Diskussionsrunde gaben alle Tipps für Indie-Autoren:  Nele Neuhaus erinnerte daran, dass Schreiben vor allem ein Handwerk ist, das auch Self-Publisher beherrschen sollten. „Außerdem ist eine gesunde Selbstkritik wichtig.“

Self-Publisher sollten „locker an die Sache gehen, ohne Druck“ und keinesfalls den Anspruch haben, vom Schreiben leben zu wollen oder gar zu müssen, so der Rat von Friederike Schmitz.

„Hybrid-Autor“ – so seine Selbstbeschreibung, da er sowohl bei einem Verlag als auch per SP veröffentlicht – Karl Olsberg riet Neu-Autoren dazu, mit dem Schreiben von Kurzgeschichten anzufangen und sie zum Abschluss zu bringen. „So erhalten Sie schneller ein Feedback.“ Außerdem sollten sie an literarischen Schreibwettbewerben teilnehmen.

„Investieren Sie ins Exposé“, so Eliane Wurzer. Sie selbst schaue bei Droemer Knaur und neobooks.de ganz besonders auf den Pitch, also die Kurzzusammenfassung der Handlung. Diese müsse überzeugen – Verlag und Leser gleichermaßen.

Hauptproblem: Marketing

„Der Self-Publisher: eine eierlegende Wollmilchsau?“ war der Titel einer weiteren Diskussion mit VFLL-Beteiligung am letzten Messe-Tag. Der Titel spielte darauf an, dass Self-Publisher (SP) viel mehr sein müssen als „nur“ Autor: Buchsetzer, Grafikdesigner, Vertriebsleiter, Marketing- und Pressechef sowie Lektor können sich in einer Person vereinen. Kann das überhaupt gutgehen – und kann dabei ein gutes Buch herauskommen?

Der Autorin Ruth Lindemann Möller zufolge ist das Hauptproblem des Self-Publishers das Marketing, also die Schwierigkeit, bei der Flut an Angeboten überhaupt von den Lesern wahrgenommen zu werden. Dazu gab Tabea S. Mainberg – ebenfalls SP-Autorin – einen Tipp: Sobald das Buch fast fertig ist, sollte der Autor das Marketing beginnen – erst in „kleinen Happen“, um den Erscheinungstermin herum sollte es intensiviert werden. „In dieser heißen Phase beschäftige ich mich fast zu 100 Prozent mit Marketing. In der anderen Zeit versuche ich, es auf 50 Prozent zu drücken“, so Mainbergs persönliche Erfahrung.

Karriere-Killer: nicht lektoriertes Buch

Beim Thema Lektorat waren sich alle einig: Dies sollte der Autor in professionelle Hände geben. „Ein nicht lektoriertes Buch kann eine Indie-Karriere sofort beenden“, war sich Johannes zum Winkel sicher. Der Inhaber einer Kreativberatung lehne auch selbst Projekte ab, wenn sie nicht gut lektoriert sind.

„Indie-Autoren werden kritischer beäugt“, meinte Tabea S. Mainberg. Auch wenn es schlecht lektorierte Bücher von Verlagsautoren gebe, hieße es bei SP-Titeln schnell: Ist ja klar, ist ja nur Self-Publishing“. Self-Publisher haben gegen einen schlechten Ruf zu kämpfen, der daher kommt, dass es eben tatsächlich viele unprofessionelle SP-Titel auf dem Markt gibt.

Lektorenverband VFLL Stand auf der Buchmesse Frankfurt

Gespräch am VFLL-Stand (Bild: Dr. Ute Gräber-Seißinger)

Basis für die Zusammenarbeit von Indie-Autor und freiem Lektor ist ein gutes Vertrauensverhältnis. Schließlich gibt der Autor etwas sehr Persönliches in fremde Hände, in dem viel Arbeit und Herzblut steckt. Vertrauen muss jedoch erstmal aufgebaut werden. VFLL-Mitglied Thirza Albert wies darauf hin, dass sie – wie viele freie Lektorinnen und Lektoren – anbietet, vorab ein Gutachten über ein Manuskript zu erstellen. Dies diene dem Autor sowohl als erste professionelle Einschätzung als auch als vertrauensbildende Maßnahme.

Investition ins eigene Schreiben

Schon dieser Aspekt zeigt, dass die Arbeit des Lektors über das bloße Korrigieren von formalen und inhaltlichen Fehlern, über das Eliminieren von „Peinlichkeiten“ hinausgeht, so Albert. Autoren könnten zudem auf eine weitere Art vom Lektorat profitieren: „Es verbessert nicht nur das aktuelle Buch, sondern kann auch helfen, den persönlichen Schreibstil zu entwickeln. Ein Lektorat ist also auch eine Investition ins eigene Schreiben“, erläuterte Albert.

Neben dem Lektorat kann der SP-Autor weitere Dienstleistungen einkaufen. Thirza Albert meinte: „Das Selbstbewusstsein eines Autors ist hier entscheidend. Dazu gehört auch das Bewusstsein dafür: Was kann ich selbst? Und was kann ich nicht leisten und gebe ich deshalb lieber ab?“

Auch wenn ein SP-Autor schon allein aus finanziellen Gründen erstmal vieles selbst machen muss, so sollte es doch zumindest das längerfristige Ziel sein, sich ein Team aus Spezialisten aufzubauen – so die Empfehlung der Diskutanten. Dann könne der Autor das tun, worin er am besten ist: schreiben.

Bild oben:

Der Moderator führt in das Thema ein. Im Podium außerdem (v. l.): Eliane Wurzer, Nele Neuhaus, Friederike Schmitz, Karl Olsberg. (Bild: Beißwänger)

Weitere Artikel (u. a.) zur Frankfurter Buchmesse 2014 von VFLL-Mitglied Lars Günther

Homepage von Thirza Albert

Weitere Links:

Homepage von Nele Neuhaus

YouTube-Kanal der Buchmesse

YouTube-Kanal des „Literaturcafé“

3 Gedanken zu „Der Self-Publisher: eierlegende Wollmilchsau und großer Träumer

  1. Friedrich Beißwänger

    Ich denke, das Lektorieren setzt sehr viel Einfühlungsvermögen voraus in das, was ein Autor „rüberbringen“ will, aber vielleicht noch nicht die adäquate Sprache dafür entwickelt hat. In einem der Links fand sich sogar die Formulierung vom „geschlossenen Weltbild“, das man als Lektor nicht haben dürfe: gerade hier war wohl ein „Gefangensein in eigenen Sicht- und Denkweisen gemeint, das dem Lektor das sich Öffnen für differie-rende Anschauungen eines Autors erschwert oder gar verunmöglicht. Die Lektorinnenphotos in den gelinkten Homepages bzw. das Gesicht des Lektors im Video zeigten „Freigeister“ mit einem hohen Vermögen, in der Realität eines andersartigen Menschen anzukommen und sich zurechtzufinden.

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  2. Friedrich Beißwänger

    Das Lektorieren ist ein neues weites Feld, über das ich mir mit diesem Artikel und den diversen Links nun so langsam einen Überblick verschaffe. Offensichtlich lebt es davon, dass inzwischen sehr viele Autoren ein Schreibtalent zu entwickeln versuchen, an dem aber offensichtlich noch „gefeilt“ werden muss. Sie sind hinsichtlich des „Ankommens“ von Texten oft noch ohne ausreichende Selbstkritik, vor allem, wenn ihre Texte mit sehr viel „Herzblut“ geschrieben worden sind.

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    1. Inga Beißwänger Beitragsautor

      Ja, das gilt zumindest für Anfänger. Wer schon länger schreibt, dem wird (bestenfalls) bewusst sein, dass er/sie immer mehr oder weniger „betriebsblind“ für die eigenen Texte ist – sowohl für formale Fehler als auch für inhaltliche Ungereimtheiten. Deshalb wissen Autor/innen mit mehr Erfahrung auch, dass der Blick von außen – bestenfalls durch ein professionelles Lektorat – sehr hilfreich ist. Das gilt übrigens für alle Texte, nicht nur für Bücher. Weshalb freie Lektorinnen und Lektoren z. B. auch für Werbeagenturen tätig sind.

      Zurück zu den Büchern: Gerade Anfänger können Bedenken haben, dass eine Bearbeitung im Lektorat ihr Werk „entstellt“. Sicherlich ist die Zusammenarbeit immer Vertrauenssache und müssen Autor und Lektor gut miteinander arbeiten können. Was z. B. auch beinhaltet, dass der Lektor mit dem Thema bzw. Genre etwas anfangen und sich in den Autor einfühlen kann. Zumal der Autor mit seinem Werk ja oft auch viel von sich selbst, von seiner Persönlichkeit etc. preisgibt. Ein guter Lektor weiß, dass der Autor viel Herzblut (plus Zeit etc.) in sein Werk gesteckt hat und kann mit dem Text (und dem Autor) so umgehen, dass das Werk das des Autors bleibt, aber gleichzeitig das Beste aus dem Buchmanuskript herausholen und es aufwerten.

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