Lektorenverband Rezension Sylvia Englert So lektorieren Sie Ihre Texte

Anleitung für gediegene Hausmannskost

Der Schreibratgeber „So lektorieren Sie Ihre Texte“ von Sylvia Englert verspricht Autorinnen und Autoren, dass aus ihren Texten solide Literatur wird. Doch der Buchtitel weist in eine falsche Richtung und das Werk hat Schwächen, sowohl inhaltlich wie in der gesamten Ausrichtung.

Von Anja Poerschke

Es gab wohl Zeiten, in denen sich Schriftsteller von Genius und Inspiration, von Diskurs und Vision und mehr als lediglich einem Quäntchen Lebenserfahrung inspiriert sahen. Heutzutage, in Zeiten des herrschenden neorealistischen Schreibstils, ist Schreiben ein Handwerk geworden, das in Literaturinstituten größerer Dörfer und unzähligen Schreibseminaren jeder bundesrepublikanischen Volkshochschule erlernt werden kann.

Dorthinein passen konsequenterweise natürlich vorzüglich die unzähligen Rezeptbücher – sprich Ratgeber – für ambitionierte Buchstabenköche. So kann bereits eine Prise eigene Idee, ein bisschen Gestaltungswillen und ein wenig literarisches Genrewissen genügen, um flugs einen Buchkuchen zusammenzubacken, der anschließend dem geneigten Publikum zum Verkosten angeboten werden kann.

Auch Sylvia Englerts Buch ist so ein Rezeptbuch für Autorinnen und Autoren, die vermutlich die Schreibseminare der Volkshochschulen besuchen (würden). Anschaulich, praktisch, überraschungs- und schnörkellos zeigt Englert Schritt für Schritt die nötigen Grundzutaten und Methoden, wie ein solider Text zusammengekocht werden kann.

Englert verlässt allerdings an keiner Stelle ihren engst eingeschränkten Themenbereich. Niemals käme ihr wohl in den Sinn, auch nur kurz Überlegungen über das zeitgenössische Dogma des sprachlichen Neorealismus, der Abkopplung der Form vom Inhalt oder gar über die Relevanz gewisser Textgenres anzustellen. Dies kann aber auch als Vorteil gelten, denn so wertet Englert an keiner Stelle. Eine kleine Übersicht über ein halbes Dutzend Textsorten fehlt indes nicht, obgleich dieser Exkurs nicht wirklich notwendig erscheint (und noch weniger die Kurzdarstellung der journalistischen Textsorten).

Insgesamt neun Seiten widmet die Autorin dem Lektorat. Knapp vier davon gönnt sie der  „bezahlten Hilfe“, also den freien Lektorinnen und Lektoren. Auf diesen Seiten gibt sie zwar einen angemessenen Überblick über die Zusammenarbeit mit einem Lektorat, allerdings mag man sich weder mit ihrem Zahlenwerk („Was kostet ein freier Lektor oder ein Coach?“) noch mit ihrem Merksatz „Strenge Lektoren sind gute Lektoren!“ so ganz einverstanden erklären. Bei dem Adressenverzeichnis für die Suche nach einer freien Lektorin/einem Lektor fehlt eine der größten Datenbanken, die es in diesem Bereich gibt: die des Verbands der freien Lektoren und Lektorinnen (VFLL). Auch stimmt der Buchtitel „So lektorieren Sie Ihre Texte“ skeptisch, denn methodisch ist es nachgerade ein Widerspruch – wenn nicht gar eine Unmöglichkeit – den eigenen Text auch selbst zu lektorieren.

So manches Mal schimmert zudem eine gewisse Selbstverliebtheit der Autorin durch, insbesondere dann, wenn sie ihre eigenen Texte als geglückte Beispiele aufführt. Unglücklich wird es allerdings, als sie ein Exposé einer ihrer Praktikantinnen (sic!) als beispielhaft gelungen lobt, obwohl dieser Text vor Syntax-, Tempus-, Grammatik- und Bezugsfehlern geradezu wimmelt und daher tatsächlich als ein eher abschreckendes Beispiel zu gelten hat. Diese  – und so manch andere Stelle – zeigt daher überdeutlich die Grenzen jeden „Selbstlektorats“ und umso klarer die Notwendigkeit eines professionellen, externen Lektorats.

Auch die Prise des locker-leichten Stils mundet nicht immer, und zuweilen geht der Textteig wegen sprachlicher Holprigkeiten (Füllwörter und -sätze, zu umgangssprachlich formuliert, unpassende Beispielsätze) auch nicht so richtig auf.

Ein weiteres Manko des Buches ist Englerts Unentschiedenheit darüber, wer genau denn das Zielpublikum ihres Rezeptbuches ist: Ist es ein blutiger Schreibanfänger oder eine bereits erfahrene Self-Publisherin? Für den Ersteren könnten ihre Rezepte hilfreich sein, für die Letztere allerdings sind sie zu sehr aus dem Urschleim der Schreibgrundlagen gegriffen.

Fazit: Sylvia Englert hat ein Texterstellungs-Rezeptbuch für Autorinnen und Autoren geschrieben, in dem sie durchaus die richtigen Werkzeuge, Dosierungen und Zutaten nennt. Wenn Buchstabenköche exakt nach ihren Rezepten kochen, kommt immerhin gediegene Text-Hausmannskost für den Hausgebrauch heraus, für die Nouvelle Cuisine reicht es aber (noch) nicht.

Sylvia Englert, „So lektorieren Sie Ihre Texte“, Verbessern durch Überarbeiten. 2. Auflage 2014,  Autorenhaus-Verlag, 153 Seiten, ISBN 978-3-86671-105-1. Erhältlich z. B. bei buch7.de oder direkt beim Verlag.  

Anja Poerschke im Lektorenverzeichnis

Coverbild: Verlag

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