Terminologie und Lektorat

Terminologie trifft Kultur: ein persönlicher Bericht vom DTT-Symposium

Veronika Licher berichtet über das Symposium des Verbands „Deutscher Terminologie-Tag e. V.“ (DTT) in Mannheim. Sie war überrascht, auf wie vielfältige Weise die Arbeit von Terminologen auch ihre Arbeit als Lektorin, Redakteurin und Verlagsberaterin betrifft. Denn kulturelle Unterschiede zeigen sich nicht zuletzt in der Terminologie – etwa, wenn es in einer Sprache viel mehr Wörter für die Farbe Blau gibt als in einer anderen.

Von Veronika Licher

Um es vorwegzusagen: Ich werde hier keinen ausführlichen Bericht über jeden einzelnen Vortrag des Symposiums liefern – dazu ist der Tagungsband „Terminologie und Kultur“ (Hrsg. Petra Drewer, Felix Mayer, Klaus-Dirk Schmitz) zu sehr gelungen. Wer ihn bestellen möchte: DTT-Publikationen

Ich war jedoch fasziniert davon, wie sehr die Arbeit der Terminologen so viele Bereiche meiner Tätigkeit als Lektorin, Redakteurin und auch als Verlagsberaterin mit Schwerpunkt VR China berührt, dass ich einzelne Aspekte hier herausgreifen möchte. Auch wenn wir Lektorinnen und Lektoren häufig als Letzte im Produktionskreislauf von der Terminologie betroffen sind und die Berührungspunkte je nach Fachbereich mehr oder weniger stark gewichtet werden: Letztlich tangiert sie alle – und mehr Hintergrundwissen, auf wie vielfältigen Wegen Begrifflichkeiten generiert werden können, hilft im Detail bei vielen Entscheidungen im Lektorat.

Wenn dann noch die Einflüsse verschiedener Sprachen und Kulturen mit einbezogen werden – und das nicht nur im Übersetzungslektorat –, tun sich buchstäblich neue Sprachwelten auf. Erkenntnisse über die eigenen kulturgeprägten, persönlichen und der jeweiligen Disziplin geschuldeten Sprachstile helfen zudem, das jeweils andere besser zu verstehen.

Carmen Canfora und Angelika Ottmann von der Beratungsfirma „RisikoScouts“ berichteten aus ihren Erfahrungen als Übersetzerinnen von Phänomenen, die großen Einfluss auf die Verwendung von Sprache und z. B. auch die Gestaltung von Hard- und Software haben. Dass Farben in unterschiedlichen Kulturen verschieden wahrgenommen und bezeichnet werden, erfordert z. B. gegebenenfalls Anpassungen in den farblichen Markierungen von Tasten und deren Anordnung. Wird in einer Zielsprache „Grün“ und „Blau“ nicht unterschieden oder gibt es zahlreiche Begriffe für verschiedene Schattierungen von „Blau“ (wie im Russischen), die nicht unter einem subsumiert werden können (wie im Deutschen oder Englischen), hat dies notwendig Auswirkungen auf die zu verwendende Terminologie.

Insofern ist auch Technik immer soziokulturell eingebunden, wie Peter A. Schmitt, Universität Leipzig, ausführte. Seine Beispiele für die fundamentalen, aber teilweise gar nicht sichtbaren Unterschiede bei scheinbar gleichen Benennungen brachten zutage, dass der „normale“ in Deutschland verwendete Hammer, der Schlosserhammer, keineswegs auch in angelsächsischen Ländern unter „hammer“ identifiziert würde. Letzterer würde bei uns fachsprachlich als Klauenhammer bezeichnet, er kann nämlich auch Nägel herausziehen, weshalb die Beißzange im englischsprachigen Raum häufig gar nicht notwendig ist.

Bei Getränkedosen gibt es ebenfalls elementare, aber zunächst nicht sichtbare Unterschiede. Bei uns werden diese aus Stahl hergestellt und mit einem Magneten aus dem Müll herausgezogen – mit den üblichen amerikanischen „beverage cans“ geht das jedoch nicht, diese sind im Allgemeinen aus Aluminium. Je nachdem, in welchem Kontext ich mich textlich bewege, kann dies also größere Auswirkungen haben.

Weitere Beispiele gibt es in den Bereichen Kernkraftwerke, Netzstecker, Wohnen usw. – häufig muss festgestellt werden, dass es keine wirklich überzeugenden Übersetzungsäquivalente gibt. Was wir für „normal“ halten, fällt erst auf, wenn wir uns im globalen Kontext bewegen.

François Massion, D.O.G. Dokumentation ohne Grenzen GmbH, stellte unter dem Stichwort Begriffsimperialismus gar die Frage: Können Fachterminologien wirklich global und kulturneutral sein? Letztlich eher nicht, aber auch wenn es schwierig ist, sollten wir zumindest versuchen, in der technischen Kommunikation in diese Richtung zu zielen. Pragmatismus scheint ohnehin angesagt, wenn man die Fülle der Kulturdimensionen und weiterer Faktoren betrachtet, die die Vortragenden aufzeigten. Und: wertschätzende Kommunikation ist auch hier von Vorteil – Jutta Witzel, SDI München, motivierte dazu, Unterschiede als Mehrwert zu betrachten und positiv zu nutzen.

Denn: Sprachmittler haben eine wesentliche Funktion und stehen durch die schnellen Fort- und Weiterentwicklungen vor nicht zu unterschätzende Herausforderungen. Überall dort, wo Menschen mit gestalterischem Willen Neues erdenken und erschaffen, wird Kultur entwickelt oder weiterentwickelt, wie Wolfgang Sturz, Transline Deutschland Dr.-Ing. Sturz GmbH, ausführt.

Das Terminologiemanagement auch der SAP ist insofern mit der Zeit gegangen, wie Mark Childress, Terminology Manager SAP Language Services, ausführt. Entsprechend den „softwaretechnologischen Zeitaltern“ führte die Entwicklung in der Terminologiearbeit von Computersystemen im Hause über Client-Server-Systeme zur webbasierten Integration, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Schließlich ist man dabei, sich in Richtung Cloud zu bewegen, die kooperatives Zusammenarbeiten ermöglichen könnte.

Auch Bilder sind kulturell geprägt – und können Missverständnisse nicht völlig überwinden. Tamara Arndt, TermSolutions, berichtete vergnüglich von ihren Forschungen im Feld der Emoji und Emoticons. Selbst die Aufnahme in den Unicon-Standard 2010 hat nicht dazu geführt, dass alle Zeichen von jedem gleich entschlüsselt werden können – jede/r kennt das „J“-Häkchen bei von Outlook verschickten Mails, die nicht mit Outlook geöffnet werden – gelesen werden sollten sie eigentlich als Smiley. Da alle Hersteller von Kommunikationssoftware etc. weiterhin frei sind in der Gestaltung, ist nicht gewährleistet, dass auch ankommt, was versendet wurde. Von den kulturellen Dimensionen und Konnotationen ganz abgesehen. Besonders in asiatischen Sprachen gibt es viele Wortspiele, die auf gleichen Lautungen der Schriftzeichen basieren – dies gilt auch für die Emoji. Dass zum Beispiel der Kothaufen in Japan Glück bedeutet, versteht der Rest der Welt eher nicht …

Ein Glück ist es jedenfalls, sich mit diesen kulturellen und terminologischen Themen in einem so interessierten Umfeld wie im DTT auseinanderzusetzen – insofern kann ich alle Kolleginnen und Kollegen nur ermutigen, sich dem spannenden Feld der Terminologiearbeit aus dem einen oder anderen Blickwinkel zu nähern. Wie Mark Childress, Vorstand DTT, resümierte: „Eines ist aber klar: In Zeiten der rapiden technologischen Entwicklung wird die Terminologie weiterhin für Unternehmen und für Menschen notwendig sein, damit sie diese Zeiten meistern können.“

Veronika Lichers Profil im Lektorenverzeichnis

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