Eine Woche Praktikum im freien Lektorat

Das Praktikum aus der Sicht der Schülerin

von Viktoria Jakobs

Mein einwöchentliches, von der Schule aus verpflichtendes Praktikum habe ich im freien Lektorat bei Frau Warmuth verbracht.

Es war sehr interessant und Frau Warmuth hat mir alles geduldig erklärt und gezeigt. Besonders toll war es, dass ich zeitgleich mit ihr dieselben Texte bearbeitet habe, sodass wir die Ergebnisse hinterher vergleichen konnten, was mir erlaubt hat zu erkennen, worauf es beim Lektorieren wirklich ankommt.

Auch wenn die Themen der Texte, die wir lektoriert und/oder übersetzt haben, natürlich nicht immer von brennendem Interesse für mich waren, so hat es mir doch sehr gefallen, die Kunst des Lektorierens selber ausprobieren zu können.

Ein weiteres beeindruckendes Erlebnis war es, Frau Warmuth zu einem Lektorentreffen des VFLL zum Thema „Textarbeit“ nach Frankfurt begleiten zu dürfen. Die Kollegen waren allesamt sehr nett und es hat mir viel Freude bereitet, mein Praktikum in einem so vielseitigen und vor allem wortreichen Beruf zu absolvieren.

Ich danke noch einmal allen Lektoren, die meine Anwesenheit bei dem Treffen erlaubt haben. Ein besonderer Dank geht auch an Frau Warmuth, die mich so aufmerksam betreut hat und mir so viel ihrer kostbaren Zeit geschenkt hat.

Abschließend kann ich allen, die an der deutschen und an anderen Sprachen interessiert sind und gerne mit Worten spielen, nur empfehlen, ein Praktikum in einem Lektorat zu absolvieren.

 

Ein gutes Team: Schülerpraktikantin Viktoria mit ihrer Mentorin Susanne Wasmuth

Ein gutes Team: Schülerpraktikantin Viktoria Jakobs mit ihrer Mentorin Susanne Warmuth

Egal wie praktisch du bist, manche sind Praktiker oder: Meine Woche mit Viktoria

von Susanne Warmuth

Unverhofft kommt oft, heißt es so schön. Und einigermaßen überrascht war ich, als ich im Dezember 2014 eine Mail in meinem Postfach fand, in der eine Schülerin der 10. Klasse fragte, ob sie bei mir ein einwöchiges Betriebspraktikum machen könne. Hm, so was hatte ich noch nie, aber warum eigentlich nicht? Ist ja schön, wenn sich jemand für unseren Beruf interessiert. Stellt sich nur die Frage, wie das konkret geht bzw. gehen soll? Wo soll ich das Mädchen hinsetzen? Mein Arbeitszimmer hat ca. 16 Quadratmeter und ist ziemlich vollgestellt. Was kann ich ihm zeigen? Habe ich in dem angefragten Zeitraum „vorzeigbare“ Aufträge, noch dazu mit ausreichend zeitlichem Spielraum, sodass ich terminlich nicht in die Bredouille komme? Darf ich überhaupt ein Praktikum durchführen? Schließlich bin ich Freiberuflerin und kein Ausbildungsbetrieb. Muss ich Berichte schreiben oder sonstige Formalitäten erledigen? Fragen über Fragen. Da hilft nur eins: fragen.

Aber zuerst der Blick in den Terminkalender. Für die betreffende Zeit im März stehen ein Lektorat und eine Übersetzung an. Beides zeitlich nicht zu eng kalkuliert. Gut, dann die Anfrage über die VFLL-Mailingliste. Die Auskünfte der Kolleginnen sind knapp, aber nicht entmutigend. Tenor: Es geht, Details sind mit der Schule zu klären. Als Nächstes mit der Schule telefonieren. Die Lehrerin, die für Betriebspraktika zuständig ist, erklärt, sie handhabten das mit dem Ausbildungsbetrieb unbürokratisch, zumal wenn es – wie in diesem Fall – für einen Beruf keine geregelte Ausbildung gibt. Und an Formalitäten sei nur ein Formular vorab (dass ich mich bereit erkläre, die Praktikantin aufzunehmen) und eines zum Schluss (dass sie auch wirklich erschienen ist) auszufüllen. Außerdem erfahre ich, dass so ein Praktikumstag (pi Daumen) sechs bis maximal acht Stunden dauern darf. Das klingt doch alles machbar, und für die „Unterbringung“ wird sich schon auch noch eine Lösung finden.

Also gut, beschlossen, ich schreibe Viktoria, so heißt die Schülerin, eine Mail und sage ihr den Praktikumsplatz zu. Warne sie auch vor, dass es bei mir keine Romane oder Krimis zu redigieren gibt, sondern „nur“ Sachtexte aus Medizin und Naturwissenschaft. Sie trägt es mit Fassung, versichert glaubhaft, dass sie gerne etwas Neues kennenlernt. Ich finde es trotzdem tapfer von jemanden, der selbst am liebsten Fantasy-Romane liest (und schreibt!) … Dann noch ein glücklicher Zufall: Bei der VFLL-Regionalgruppe Frankfurt steht genau in der Praktikumswoche ein Workshop „Textarbeit“ auf dem Programm, und unter den Frankfurter Kolleginnen und Kollegen sind doch einige, die regelmäßig – oder zumindest öfter als ich – mit belletristischen Texten zu tun haben. Also eine neue Fragerunde an Viktoria (bzw. ihre Eltern), die Schule und die Kolleginnen und Kollegen: Darf Viktoria mich zu diesem Workshop begleiten? Er findet immerhin am Abend und im 40 Kilometer entfernten Frankfurt statt. Zum Glück hat niemand hat Einwände, dann kann es ja losgehen.

Am Montag klingelt es pünktlich um 9 Uhr an der Haustür. Am Gartentor steht eine junge Frau mit Fahrrad, Helm und roten Wangen, Viktoria. Sie ist an diesem frostigen Morgen aus dem Nachbarort Griesheim herübergeradelt. Schüchtern ist sie nicht, wie sich schon bald herausstellt, nachdem sie sich ausgepackt und mit mir ins Arbeitszimmer gesetzt hat. (Zwischen Schreibtisch und Bücherregal hatte doch noch ein kleiner Tisch samt Stuhl Platz gefunden.) Zunächst will ich ihr die Arbeitsorganisation zeigen: Rechner, Programme, Nachschlagewerke on- und offline, Mailinglisten, Verbandsseiten, das neue Lektorenverzeichnis, auch ein paar Bücher, die ich im Laufe der Jahre lektoriert oder übersetzt habe. Aber wir driften immer wieder ab. Es zeigt sich schnell, dass sich hier zwei Bücherwürmer gefunden haben. Viktoria liest Bücher auf Deutsch, Englisch und Französisch, schreibt selbst Geschichten oder entwirft Zeitungen. Wir reden über Lieblingsbücher, Lieblingsfilme, Internetportale für gebrauchte Bücher und ich lerne die aktuellen Schülerwitze kennen. Leider gehört es zu meinen schwachen Seiten, dass ich mir keine Witze merken kann, aber viele fangen mit „Egal wie“ an und kommen ganz bestimmt aus Kalau. (P.S.: Die Überschrift ist mein Versuch, das Prinzip anzuwenden.)

Gearbeitet haben wir aber auch, und zwar ganz ernsthaft. Auf dem Programm standen ein Artikel für die Zeitschrift „Natur – Forschung – Museum“ des Senckenberg Forschungsinstituts, der lektoriert werden sollte, und das Buch einer australischen Autorin, das ich für den medizinischen Ratgeberverlag Trias übersetze. Der Artikel hatte es in sich: viele Fach- und Fremdwörter, lange, verschlungene bis verschwurbelte Sätze, eine ziemlich spezielle zoologische Thematik. Der Auftrag hieß „für ein nicht wissenschaftliches Publikum lesbar und nachvollziehbar machen“. Also, einmal tief Luft holen und dann in Etappen durcharbeiten. Das tat jede für sich, zuerst an einem Ausdruck fürs „Grobe“, dann am Bildschirm für die Feinheiten. Zwischendurch lasen wir uns den lektorierten Text im absatzweisen Wechsel vor. Ich war beeindruckt, Viktoria hatte sich nicht nur unerschrocken in das ihr unbekannte Terrain gestürzt, sondern sie stellte auch sehr kluge Fragen und machte richtig gute Verbesserungsvorschläge. Während ich dem Artikel anschließend letzten Schliff zu geben versuchte, übersetzte sie die englischsprachige Presseerklärung des Senckenberg zum selben Forschungsgebiet ins Deutsche. Einfach so, als Fingerübung. Auch hier wieder, Hut ab, das hätten nicht alle Kollegen so gut hingekriegt!

Ja, und so verging die Woche wie im Flug. An der medizinischen Übersetzung haben wir nach dem gleichen Verfahren herumgeschraubt, dazwischen gab’s immer was zu schwatzen. Mittags haben wir gemeinsam eine Kleinigkeit gekocht – von Spaghetti Bolognese bis Eierpfannkuchen mit Obst –, und dann war da auch noch der Trip nach Frankfurt zum VFLL-Regionalgruppentreffen. Nachdem wir das neue Lektorenverzeichnis und seine Ausgestaltungsmöglichkeiten besprochen hatten, ging’s endlich an die Textarbeit: die Imagebroschüre einer Firma und – hurra, ein Kurzkrimi! Auch hier schaltete sich Viktoria ohne Hemmungen in die lebhafte Diskussion um Dialoge, Blickrichtungen, nötige oder unnötige Beschreibungen ein. Schade, dass ich ihr das nicht hatte bieten können!

Als wir uns dann am Freitag von einander verabschiedet haben, waren wir beide doch tatsächlich etwas wehmütig. Aber zum Glück hat mir Viktoria als Erinnerung eine Datei mit Schülerwitzen (hier noch einer für Literaturfreunde: Egal wie dicht du bist, Goethe war dichter) und ein Exemplar ihres Lieblingskugelschreibers überlassen, ein französisches Modell mit vier verschiedenfarbigen Minen. Toll! Und ich werde ihr natürlich ein Exemplar der Zeitschrift und des Ratgebers schicken, sobald sie erschienen sind. Ist nicht ganz so prickelnd, ich weiß, aber der ideelle Wert … Muss ich noch erwähnen, dass ich diese Woche mit Praktikantin als Bereicherung und schöne Erfahrung empfunden habe?

4 Gedanken zu „Eine Woche Praktikum im freien Lektorat

  1. Berit Lina Barth

    Nein, liebe Susanne, das musst Du nicht erwähnen (ich beziehe mich auf die rhetorische Frage in der letzten Zeile), das hat man dem ganzen Text angemerkt. Vielen Dank für diesen ausführlichen und ermutigenden Bericht! Solche Anfragen gibt es ja tatsächlich öfter mal. Ich habe bisher bei solchen Anfragen abgelehnt, und zwar aus den gleichen Überlegungen heraus, die Du am Anfang beschreibst. Jetzt kann ich mir vorstellen, es vielleicht doch auch mal zu wagen, falls mal wieder eine Anfrage kommen sollte.

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